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„Neue” Gentechnik braucht strikte Regeln

Die EU-Kommission hat angekündigt, Anfang Juni Vorschläge für neue Regelungen für die sogenannte „neue Gentechnik“ auf den Tisch zu legen. Ziel ist eine Lockerung der bestehenden Regeln. Für Verbraucher:innen würde das bedeuten, nicht mehr unterscheiden zu können, welche Lebensmittel Gentechnik-frei sind und welche nicht. Umweltministerin Leonore Gewessler und der für Konsument:innenschutz verantwortliche Minister Johannes Rauch haben gemeinsam einen Brief an die zuständige EU-Kommissarin Stella Kyriakides verfasst. Sie stellen darin die österreichische Position erneut klar. Sie fordern eine Sicherheitsprüfung für gentechnisch veränderte Produkte und die Beibehaltung der Kennzeichnungspflicht.

EU-weit sollen heuer Pflanzen und Produkte, die mittels neuer Verfahren der Gentechnik hergestellt werden, neu geregelt werden. Ein Vorschlag für eine entsprechende EU-Verordnung wird im Juni erwartet. Für Verbraucher:innen würde das bedeuten, nicht mehr frei wählen zu können, ob Gentechnik-Produkte auf ihren Tellern landen.

Gemeinsamer Brief für Kennzeichnungspflicht

Nun wenden sich Gewessler und Rauch mit einem Appell direkt an die zuständige EU-Kommissarin Stella Kyriakides. In einem Brief fordern die österreichischen Minister:innen eine strikte Regulierung und die Beibehaltung der bewährten, klaren Regeln für den Schutz der Konsument:innen und der Umwelt. Vor einem Vorschlag für eine Neuregelung brauche es weitere Untersuchungen der Auswirkungen auf die Umwelt und den freien Zugang zu Saatgut für die Bäuerinnen und Bauern.

Konsument:innenschutzminister Johannes Rauch: „Auch für die sogenannte ‚neue Gentechnik‘ müssen Zulassung, Risikobewertung und Kennzeichnungspflicht gelten, so wie wir es im Regierungsübereinkommen festgehalten haben. Konsument:innen haben das Recht zu wissen, was auf ihrem Teller liegt. Wir kämpfen gemeinsam für Transparenz.“

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler: „Österreich hat eine lange Tradition in der biologischen Landwirtschaft und strenge Regeln, um sie vor Gentechnik zu schützen. Diese Errungenschaft darf nicht durch eine EU-Gesetzgebung zur Neuen Gentechnik gefährdet werden, die von der Kommission lediglich aufgrund von vagen Annahmen entwickelt wird. Gerade bei Produkten, die vielfältige Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt haben können, muss eine ausreichende und ausgewogene wissenschaftliche Basis die Grundlage einer Neuregelung sein.“

Weitere Untersuchung zu „neuer Gentechnik” gefordert

Bereits im Rahmen einer Expert:innenkonferenz zu diesem Thema im Juni 2022 in Wien haben Umweltministerin Gewessler und Konsument:innenschutzminister Rauch weitere Diskussionen und Untersuchungen zur „neuen Gentechnik“ gefordert. Gewessler hat diese Forderung beim EU-Umweltrat im März erneuert und betont, dass mögliche Auswirkungen der „neuen Gentechnik“ auf die Umwelt umfassend untersucht werden müssten.

AK begrüßt Vorstoß von Rauch und Gewessler

Zurzeit sind bei allen Produkten der neuen gentechnischen Verfahren die Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt vor einer Marktzulassung umfassend zu überprüfen. „Die Deregulierung würde bedeuten, dass das nicht mehr gilt, dabei zeigen Studien, dass es auch in Sicherheitsfragen noch viele ungeklärte Fragen gibt“, sagt die AK Gentechnikexpertin.

Gerade deswegen begrüße die Arbeiterkammer Wien, die von Gesundheitsminister Johannes Rauch und Umweltministerin Leonore Gewessler gesetzte Initiative über eine umfassende Diskussion zum angestrebten Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zur Neuer Gentechnik und das Bekenntnis zur Beibehaltung der derzeitigen Gentechnikregeln.

„Die Kommission zu überzeugen bestehende Gentechnikregeln auch für Neue Gentechnik anzuwenden, ist wichtig“, meint Strutzmann. Die Arbeiterkammer Wien erwartet sich von Bundesminister Rauch und Bundesministerin Gewessler aktiv Verbündete in den EU-Mitgliedsstaaten für ihre Initiative finden.

Neue Gentechnik

Als „Neue Gentechnik“ werden Verfahren bezeichnet, die das Erbgut von Lebewesen technisch verändern, jedoch mit Methoden, die zielgenauer sind als die Methoden der „konventionellen Gentechnik“, beispielsweise mithilfe der sogenannten Genschere CRISPR-Cas. Diese Methoden können jedoch Risiken bergen, die bislang noch zu wenig erforscht sind, etwa unbeabsichtigte Veränderungen.

„Die Konsument:innen verlassen sich darauf, dass Bio gleichzeitig auch gentechnikfrei bedeutet. Die EU-Kommission will den europaweiten Anteil der Bio-Produktion auf 25 Prozent heben, diesen Wert haben wir als Bio-Vorreiterland bereits erreicht. Menschen kaufen Bio, weil sie auf die Qualität und Sicherheit der Produkte vertrauen. Dieses Vertrauen ist unabdingbar und maximale Transparenz sowie klare Kennzeichnungen sind wichtige Voraussetzungen dafür“, begrüßt Clemens Stammler, Landwirtschaftssprecher und Obmann der Grünen Bäuerinnen und Bauern, die eindeutige Haltung der Grünen Minister:innen Leonore Gewessler und Johannes Rauch zu biologischer Landwirtschaft in ihrem Brief an die zuständige EU-Kommissarin.

Problemfeld Patentierbarkeit

„Derzeit schließen wir in Österreich mit der Patentrechtsnovelle wesentliche Schlupflöcher. Saatgut ist nicht Eigentum einzelner Konzerne, sondern wird über Generationen entwickelt. Die Vielfalt an Eigenschaften von Pflanzen muss für die weitere Züchtung verfügbar bleiben. Eine Deregulierung der neuen Gentechnik würde eine Welle neuer Patente auf Pflanzen durch Konzerne bedeuten und damit die Saatgutvielfalt gefährden“, sagt Stammler.

AK Umfrage: Gentechnikfrei für Konsument:innen sehr wichtig

Wie wichtig das Thema Gentechnik für die Konsument:innen ist, zeigt eine erst kürzlich veröffentlichte Umfrage der AK Wien. So ist für 84 Prozent der Konsument:innen ein wichtiges Kriterium beim Lebensmitteleinkauf, dass die Produkte genteckfrei sind, und trotz steigender Lebensmittelpreise, würden nur 8 Prozent der Befragten auf gentechnikfreie Lebensmittel verzichten.

Deswegen fordert die AK-Gentechnikexpertin Iris Strutzmann, dass „Lebens- und Futtermittel, die mit Verfahren der neuen Gentechnik hergestellt werden, als gentechnisch veränderte Produkte gekennzeichnet werden müssen. Damit wird die Wahlfreiheit für Konsument:innen entlang der gesamten Lebensmittelkette garantiert.“ Die neuen Gentechnikverfahren sollen streng reguliert werden und dabei „soll auch das Vorsorgeprinzip nicht außer Acht gelassen werden“.

Dazu gehören auch eine strenge Risikoprüfung und Zulassungsverfahren sowie eine umfassende Technikfolgenabschätzung. „Zudem müssten neben den beabsichtigten auch unbeabsichtigten Veränderungen untersucht werden“, so Strutzmann abschließend.

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